Veranstaltung im Rahmen der Linken Buchtage 2023
Das hier vorgestellte Buch ist Bestandteil eines multimedialen Projekts. Die Hardcover-Publikation ist das Begleitbuch einer Ausstellung, die unter dem Buchtitel am 26. August 2022 in Düsseldorf eröffnet wurde und bis zum 9. September 2022 zu sehen ist. Der Ausstellungskatalog enthält die Bilder, Grafiken und die Begleittexte zur Ausstellung. Im ersten Teil abgedruckt sind Geleitworte der Zweiten Vorsitzenden der IG Metall Christiane Benner und des Düsseldorfer Sozialwissenschaftlers Alexander Häusler, der an der Hochschule Düsseldorf zu Rechtsextremismus/Neonazismus forscht.
Herausgeber des Buches ist Nihat Öztürk, der im Hauptbeitrag des Buches das Kernanliegen der Ausstellung formuliert. In kompakter Form arbeitet er heraus, wie Menschen mit ausländischen Wurzeln in den historisch aufeinanderfolgenden Phasen der (Arbeits-)Migration behandelt und welche Bilder über sie vermittelt wurden. Es wird deutlich, wie lange es dauerte, bis der ideologische Nachhall des deutschen Faschismus gebrochen werden konnte und welchen Anteil die Migrant*innen selbst hatten, dass dies möglich wurde. Deshalb schreibt Christiane Benner zu Recht, dass Einwanderungsgeschichte eine Erfolgsgeschichte sei, die fortgeschrieben werden müsse. Denn sie beinhaltet nicht nur die dunklen Seiten von Ausbeutung und Entwürdigung besonders verletzlicher Menschen, sondern zeigt, dass Migrant*innen einen großen Anteil daran haben, das gesellschaftliche Leben hier im Lande zu bereichern und auch das Selbstwertgefühl und die Solidaritätsfähigkeit der abhängig Beschäftigten im Lande zu stärken. Besonders profitiert haben davon die deutschen Gewerkschaften, vor allem die IG Metall, in der Nihat Öztürk seit Jahrzehnten engagiert ist.
Unter den damals noch besonders belastenden Arbeitsbedingungen betrat er die deutsche Arbeitswelt als Gießereiarbeiter und fand dann über mehrere Stationen Zugang zu IG Metall-Kollegen, die ihm ein anderes Bild von seinen Rechten, von menschlicher Würde und der Möglichkeit zu solidarischem Handeln vermitteln konnten. Er wurde aktiver Gewerkschafter, den seine Kolleg*innen schließlich zum Bevollmächtigten der IG Metall in Düsseldorf wählten.
Sein Buchbeitrag stellt auf einnehmende Weise unter Beweis, dass er dabei nicht verlernt hat, die Dinge beim Namen zu nennen, oder, um Rosa Luxemburg zu zitieren, „zu sagen was ist“.
Die jetzige Ausstellung ist ein Versuch, die vor 20 Jahren gezeigte Ausstellung „Migration hat viele Gesichter“ kritisch fortzuschreiben. Im Mittelpunkt stehen Konflikte sowie Kämpfe um Anerkennung und Teilhabe. Gerade diese Kämpfe, die heute aufgrund der mehrfachen Prekarisierung und Ausbeutung notweniger denn je sind, betrachtet Nihat Öztürk als Motoren des sozialen Fortschritts. Konzipiert ist sie als Wanderausstellung, die ohne großen Aufwand transportiert und auf-und abgebaut werden kann. Es gibt bereits weitere Orte, an dem sie gezeigt werden soll. Eine Bewerbung für bisher noch nicht vorgesehene Stationen ist ausdrücklich erwünscht. Denn die solidarische Weiterentwicklung der postmigrantischen Gesellschaft bleibt eine der zentralen Herausforderungen, die darüber entscheidet, ob die Demokratie gegen faschistische Bedrohungen verteidigt werden kann oder nicht.
Mehr Infos zu Nihat Öztürk finden Interessierte in einem Beitrag, der 2021 in dem Sammelband „Wie Deutschland zur Heimat wurde. 60 Jahre Deutsch-Türkisches Anwerbeabkommen“ beim Correctiv Verlag Essen veröffentlicht wurde:
„Ohne Angst verschieden sein – das wurde mein kategorischer Imperativ“
Biografische Daten des Herausgebers:
Geb. 1955 in Antakya (Türkei), 1973 Einreise in die BRD im Rahmen des Anwerbeabkommes, 1973-78: Gießereiarbeiter und Elektroschweißer, 1978-83: Soziologie-Studium an der HWP, 1983-86: Wiss. MA in Hamburg, 1986-89: Wiss. MA beim DGB BW in Dortmund, 1989-96: Pol. Sekretär der IG Metall VS Düsseldorf, 1996-2005: Geschäftsführer der IG Metall Düsseldorf, 2005-17: Geschäftsführung für die GS in Düsseldorf und Neuss, 2017-2019: IG Metall-Vorstand Resort Migration und Teilhabe, war
Mitglied im Beirat der IG Metall und im Kuratorium der Hans-Böckler-Stiftung, Mitglied der Mahn- und Gedenkstätte Düsseldorf, Gründungsmitglied von Mosaik e.V. Düsseldorf, Mitbegründer des Düssseldorfer Appells gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit.